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„Kirche will nicht wie eine Nanny sein“

Bischof Dr. Helmut Dieser bei der Beauftragungsfeier der Regionalteams
Datum:
17. Jan. 2023

Bischof Dieser ernennt die Mitglieder der neuen Regionalteams und dankt den Ausgeschiedenen für ihren Dienst der vergangenen Jahre

Einer Kirche, die aus eigener Autorität anderen sagen wolle, wo es langgehe, räumte Bischof Dr. Helmut Dieser in seiner Predigt keine Chance mehr bei den Menschen ein. Er sagte dies anlässlich der Einführung und Aussendung der acht Regionalteams im Hohen Dom zu Aachen. Trotzdem stellte der Bischof die Frage, welche Kirche denn einlösen könne, „was wir heute hier miteinander feiern: nämlich ausgesandt zu werden zu den Menschen in den acht Regionen unseres Bistums, hinausgeschickt zu sein, um wirklich zu tun, was Jesus getan hat.“ Dem gegenüber stehe eine Institution, deren Ansehen extrem belastet sei. „Nicht nur durch Vorbehalte aus schlechten pastoralen Erfahrungen und Unzeitgemäßheiten, sondern aktuell durch die ungeheuerlichen Missbrauchsverbrechen und die mühsame Veränderung, wie die kirchlichen Autoritäten damit umgehen müssen, damit die Betroffenen endlich zu ihrem Recht kommen.“

Zwischen Resignation, Depression und einem dritten Straßengraben

Um die Situation zu beschreiben, führte Bischof Dieser das Bild zweier Straßengräben an und fügte noch einen dritten hinzu. Während auf der einen Seite der Straße Resignation und Depression vorherrsche („Ich halte an dem fest, was mir vertraut ist und lebe im Rückzug“), halte auf der anderen Straßenseite Aufrüstung und Radikalisierung Einzug („Den Leuten endlich mal wieder richtig sagen, was zu glauben ist, was katholisch ist und was nicht“). Die Folge: Beide Lager würden den Grund allen Übels jeweils in der Position des anderen sehen. Und wo sich die Parteien unversöhnlich gegenüber stünden, verortete Bischof Dieser in der Mitte der Straße einen dritten Graben und bezeichnete ihn als die „Übergriffigkeit des Richtigen“. „Wie sollen wir heute den Leuten erschließen, dass sie den Arzt brauchen, wie Jesus von sich sagt?“ Eine Lösung: „Wir müssen Zeitgenossen sein und sein wollen! Und das heißt: ganz ernst nehmen, dass die meisten Menschen bei uns ein gutes Leben führen, ohne an Gott zu glauben. Wenn wir uns davor drücken, wenn wir anfangen, ihnen irgendein Defizit anzurechnen oder sie gar abzuwerten, sind wir schon in diesen seltsamen mittleren Straßengraben hineingestürzt.“

Nahe sein dem Leben von heute

Konkret bedeute dies, die wachsende Säkularisierung zu verstehen und vor allem zu akzeptieren, dass sie geschehe. Letzteres setzte Bischof Dieser aber nicht mit Resignation gleich oder dem Wunsch, „sich in ein ideales Glaubensreservat zurückziehen oder eine ideale Reformkirche auszurufen und zu behaupten: alle glauben doch schon längst irgendwie und irgendwas.“ Vielmehr gehe es darum, die geistliche Kraft zu gewinnen, um neu in die Zeit hinein aufzubrechen. „Darin sehe ich den Weg unserer Pastoral heute: nahe sein dem Leben von heute, einfühlend nahe sein der Not des Glaubens oder dem Gefühl, es sei gar nicht nötig zu glauben. Nur so können wir als Kirche heute den Menschen auf Augenhöhe begegnen und zugleich das Plus des Glaubens für sie bewahren und immer neu in Umlauf bringen“, unterstrich Bischof Dr. Helmut Dieser in seiner Predigt. Denn „durch unsere Zeitgenossenschaft und durch unser Festhalten am Glauben tragen wir das lebendige Wort auch in unsere Zeit hinein, und daraus entstehen Orte von Kirche, wo das Wunder des Glaubens heute geschehen kann: Menschen erkennen, dass Jesus sie in den Blick nimmt, Menschen, scheinbar ganz woanders unterwegs oder ganz ohne Gott, und sie hören: Folge mir nach!“