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Gabi Terhorst, Sprecherin des Diözesanpastoralrats

Gabi Terhorst, Diözesanpastoralrat
Datum:
29. März 2022

Sehr geehrter Herr Bischof,

sehr geehrte Damen und Herren,

im Januar 2020 begann ich die Ausführungen des Diözesanpastoralrates beim Perspektivtag in Jülich mit den Worten aus dem Philipper Brief:

„Wo immer ihr etwas Gutes entdeckt, das Lob verdient, darüber denkt nach.“ Philipper, Kapitel 4, Vers 8.

Das könnte auch das Motto des heutigen Tages sein. Nicht über das zu sprechen was unvollkommen und was noch unklar ist, sondern nur darüber weiter nachzudenken was lobenswert ist. Ich denke, dies wäre zu kurz gegriffen. Denn nur wer versteht kann Gutes entdecken, loben und dann darüber nachdenken oder sogar weiterdenken.

Loben können wir vom Diözesanpastoralrat, dass unsere vorgetragene Empfehlung eine Einordnung als gemeinschaftlichen Verstehens- und Verständigungsrahmen zu erstellen vom Januar 2020 aufgegriffen wurde. Diese Empfehlung finden wir im Kompass wieder. Das ist gut so. Andere Empfehlungen von vor zwei Jahren konnten in Ansätzen umgesetzt werden.

Der Diözesanpastoralrat begrüßt, dass der Themenkomplex „Klimakrise – Nachhaltigkeit, – Schöpfungsverantwortung“ seinen Platz in dem Querschnittsthema „Nachhaltigkeit“ gefunden hat. Leider fehlen zu den Querschnittsthemen neben „Nachhaltigkeit“, „Digitalisierung“ und „Ökumene“ gänzlich die Querschnittsthemen „Kolumbien“ und „Inklusion“. Auch unsere eigentliche Ausgangssituation des sexuellen Missbrauchs in der Kirche spielt in unserem Prozess keinerlei Rolle. Wo werden wir Weiterentwicklungen der Präventions- und Aufarbeitungsarbeit demnächst finden? Wie werden wir den Fragen hierzu begegnen? Das sind Fragen, die wir nicht außer Acht lassen dürfen.

In den letzten vier Jahren haben sich ca. 5000 Menschen aus unserem Bistum sich in den für sie relevanten Themen der Kirche engagiert und mit ihnen auseinandergesetzt. Wir sind mit einer breiten und weiten Sichtweise in den Prozess gestartet. „Meet and eat“, jeder ist gefragt, jeder soll sich angesprochen fühlen. Gerade auch die, die sich von Kirche entfernt haben und nicht mehr im „inner-circle“ sind. Wir haben Teilprozessgruppen gebildet, Handlungsfeldoptionen erarbeitet, Basis AGs gegründet und schließlich den Synodalkreis einberufen und die jetzt vorliegenden Beschlüsse konsentiert. Von den 5000 Menschen scheinen immer weniger am Prozess beteiligt zu sein. Wir haben viele Menschen auf dem Weg verloren und mit Enttäuschungen und Frustrationen zurückgelassen. Zu Beginn und im Laufe des Prozesses wurde immer gesagt, dass erst die Inhalte geklärt werden und zum Schluss die Strukturen erfolgen. Im Laufe des letzten Jahres und insbesondere in diesem Jahr ist die Gewichtung, ob gewollt oder nicht, gedreht worden. Jetzt spricht nur noch jeder von der Basis-AG 3 und damit über Strukturen, die Inhalte spielen eine untergeordnete Rolle. Leider.

Dennoch gibt es unzählige Engagierte in unserem Bistum, die die Freude des Evangeliums verkünden und an den Nächsten weitergeben. Nur durch ihr unsagbares vielfältiges, kreatives und mutiges Engagement ist die Kirche im Bistum Aachen da wo sie ist. Dafür kann es gar nicht genug Lob geben! Und dafür ist es wichtig, dass wir weiterdenken, wie es weitergehen kann in diesem Bistum. Nicht mehr und nicht weniger! Papiere sind in den letzten 30 Jahren genug geschrieben worden, von der „Geh hin Kirche“, zu „Kirche am Ort“ über der „Sinusstudie und den verschiedenen Milieus“ zum „Dialog mit Kirche“ jetzt zum „Heute bei dir“ und dies sind noch nicht alle geschriebenen Titel der Papiere. Mir fällt dazu ein Zitat von Berthold Brecht ein:

„Ja, mach nur einen Plan! Sei nur ein großes Licht! Und mach dann noch’nen zweiten Plan, Gehen tun sie beide nicht..“ — Bertolt Brecht, Die Dreigroschenoper

Es gibt viele Fragen und kritischen Anmerkungen daher glauben wir, dass es ein gutes Beschwerdemanagement braucht. Dort lernt man schon zu Beginn: Derjenige, der fragt oder kritische Anmerkungen macht ist sehr wertvoll und wichtig. Denn, er gibt nicht nur Hinweise auf das was noch nicht klar oder „rund“ ist, er ist auch noch da. Schlimmer verhält es sich mit denjenigen, die nichts mehr sagen und schon den Rücken gekehrt haben. Bei dem Ersteren hat man die Möglichkeit zu reagieren bei dem Zweiteren leider nicht mehr. Deswegen sollten doch all die Kritiker, die Fragenden, in unseren Fokus rücken und wir sollten versuchen mit denen im Gespräch zu bleiben. Nur durch unsere dann erlebbare Haltung können wir noch etwas bewegen und vielleicht sogar den einen oder die Andere neugierig machen auf unsere veränderte Haltung und sie eventuell wieder zur Mitarbeit motivieren und gewinnen.

Aus diesem Grunde sehen wir uns heute hier als Sprachrohr für viele Christen und Christinnen, die Fragen und oder Anmerkungen zu dem haben was hier gerade passiert. Wir beschränken uns größten Teils auf inhaltlich pastorale Fragen, die kirchenrechtlichen Fragen werden Andere stellen.

Eine große immer wiederkehrende Frage ist warum ist das alles ein closed job? Seit Oktober 2021 hört und liest man nichts oder nur wenig von den Inhalten dieses Prozesses. Es gibt einen Newsletter zu dem man sich anmelden kann, aber einen Stand der Beratungen gibt es nicht oder man findet ihn einfach nicht. Wenn man dann etwas zu lesen bekommt ist es in einer Sprache, die nicht unbedingt als allgemeinverständlich zu bezeichnen ist. Das ist nicht nur sehr erschwerend, sondern erweckt auch den Eindruck, dass die Verfasser der Beschlüsse in ihrer eigenen Welt und Wahrnehmung leben und es dann, anders als gewollt, ein von oben nach unten gibt. Anders ausgedrückt: Wissen ist Macht. Durch diese Sprache entstehen viele Fragezeichen, mögliche Deutungsversuche, die noch nicht beantwortet sind.

Deutlich geworden ist, dass ein „Richtungswechsel“ von unten nach oben stattfinden soll. Deutlich und als sehr lobenswert und bedenkenswert gilt es, dass es eine Ermöglichungskultur geben soll, die eine große Vielfalt möglich macht. Das begrüßen wir ausdrücklich. Dennoch bleiben ein paar Fragen:

Wo wird der Richtungswechsel im Moment und in Zukunft im Prozess sichtbar?

Wer legt fest was und wo ein pastoraler Raum ist? Wer legt die Kriterien für einen pastoralen Raum fest?

Werden die festgelegten Kriterien die Strukturen bestimmen?

Welche Verbindlichkeiten haben die Kriterien?

Was sind Kompetenzzentren, wer legt dort die Kriterien fest? Der pastorale Raum oder eine übergeordnete Stelle?

Wenn man von unten nach oben arbeiten möchte sollte dann nicht erst klar sein was Orte von Kirche sind, dann was pastorale Räume sind und dann was sich für eine Pfarrei ergibt?

Wie kam es zu der Zahl der möglichen Pfarreien 8-13? Wer hat die festgelegt? Nach welchen Kriterien wurde und wird vorgegangen?

Was ist Leitung und wie groß ist dort die Verbindlichkeit? Wie werden wir mit Menschen umgehen wollen, die bereit sind sich zu engagieren, sich der Vielfalt und möglichen Weite aber entziehen?

Sollte eine Befähigungsoffensive nicht eher auf die Befähigung von Gott und dem Hl. Geist herrühren als von Verlautbarungen und Festlegungen?

Uns, dem Diözesanpastoralrat, ist nicht klar geworden warum die in den Beschlüssen genannten „Prüfaufträge“ nicht längst erteilt und schon geklärt wurden. Und wir meinen nicht nur die Kirchen- und staatskirchenrechtlichen Klärungen. Wir meinen auch die Klärungen der Ermöglichung von sakramentalen Diensten. So verlieren wir kostbare Zeit. Zeit, die uns in der Pastoral vor Ort fehlt.

Zeit, die auch noch benötigt werden wird, um eine Umsetzung zu erarbeiten. Bisher haben wir Beschlüsse, die allgemein sind, die bis auf zwei keine Zeitangaben beinhalten und die so gut wie niemanden wehtun. Eine Ermöglichungskultur für jeden. Die finanziellen und personellen Einschränkungen werden uns in die Realität zurückholen.

Wie wird in der Umsetzung der Richtungswechsel sichtbar?

Ebenso stellt sich die Frage: Was ist neben der Ermöglichungskultur mit der Verabschiedungskultur? Wir werden nicht mehr alles leisten können was wir machen möchten. Wer ermöglicht dann auch eine gut begleitende Abschiedskultur? Zu Beginn des Prozesses gab es die Idee für jede neue Idee, für jede neue Ermöglichung muss irgendetwas aufgebgeben werden. Was ist daraus geworden? In den Beschlüssen ist dazu nichts mehr zu lesen.

Wir halten es für notwendig die Beschlüsse von jemanden „von außen“ gegen lesen zu lassen um mögliche ungewollte Ausgrenzungen zu vermeiden! Ein Beispiel: Im Beschluss „Ökumenischer Verantwortung und interreligiöse Dialoge“ ist nur die evangelisch-lutherische Kirche erwähnt, einen ökumenischen Austausch mit Judentum, Orthodoxen, Freikirchen, Altkatholiken u.ä. ist sicherlich nichts entgegenzusetzen. Es steht aber nicht im Beschluss, damit erzielen wir eine ungewollte Wirkung.

In den Beschlüssen finden ganze Gruppierungen keine Erwähnung und kommen explizit nicht vor: Orden, Ordensgemeinschaften, neue religiöse Bewegungen, Kinder, Schule mit ihrem Lehrauftrag und ihrer Pastoral, Hochschulgemeinden…auch diese Gruppierungen sollten auf unserem Weg benannt und mitgenommen werden.

Durch die Beschlüsse muss klar sein wer und wo wir verlässliche Partner für die Gesellschaft sein wollen und sein werden, auch da lässt mancher Beschluss die Klarheit vermissen.

Unser „Wahlprogramm“ ist das Evangelium – nicht mehr und nicht weniger. Mit diesem Wahlprogramm können und sollten wir werben.

Aus diesem Blickwinkel heraus stellen wir den Nächsten in den Fokus. Um unseren Engagierten Haupt -und Ehrenamtlichen die Möglichkeit einzuräumen ihren Auftrag als Getaufte- und Gefirmte die Frohe Botschaft in die Welt zu bringen ist es unser

Auftrag ihnen durch unsere Beschlüsse die Rahmenbedingungen so einfach wie möglich zu machen und die dafür nötigen Strukturen zu schaffen und NICHT um Engagierte mit dem genannten Auftrag einzuzwängen um Strukturen zu rechtfertigen.

Aus diesen Gründen empfiehlt der Diözesanpastoralrat auch bei der Umsetzung der Beschlüsse und der Erstellung möglicher Konzepte und Kriterien genau hinzuhören und die Ideen und Ratschläge, aber auch Fragen und Anmerkungen ernst zunehme, zu berücksichtigen und partizipativ zu konkretisieren.

Gabi Terhorst, Sprecherin des Diözesanpastoralrats