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Gastbeitrag von Heribert Rychert PRO Demokratie:„Kirche ist nicht gleich Demokratie. Aber Kirche kann Demokratie.“

Das Anliegen, mehr Demokratie in der Kirche zu realisieren, wird oft – bewusst oder unbewusst – missverstanden. Als Forderung, demokratische Formen wie in einem Staat zu etablieren, mit Urwahl, Parteien, Parlament, „dass das Volk herrschen soll“.
Heribert Rychert
Datum:
5. Mai 2023

So wird das Anliegen nach mehr Demokratie in Kirche missverstanden. Besser ist es hingegen, sich demokratische Strukturen und Gepflogenheiten in Organisationen anzuschauen, wo sie für Kirche hilfreich sein können.
Hier sehe ich zwei Ansätze: Demokratie ist die uns bekannte menschenfreundlichste Form und Methode, Staaten, Gruppierungen und Organisationen zu organisieren. Was menschenfreundlich ist, kann auch für Kirche nicht falsch sein. Negativ gesehen haben gerade der Skandal um sexuellen und geistlichen Missbrauch und seine Vertuschung gezeigt, dass dies kein Betriebsunfall des Systems ist, sondern systemische Gründe diesen erst ermöglicht und gefördert haben.
Vor diesem Hintergrund ist in der deutschen Kirche der Synodale Weg angetreten, Reformen anzustoßen, die Kirche menschenfreundlicher und glaubwürdiger zu gestalten. Vielen der Reformvorhaben liegen demokratische Ideen zugrunde:

● grundsätzliche Gleichheit aller Menschen mit Zugangsmöglichkeiten zu Ämtern

● Verhinderung von Machtmissbrauch durch Gewaltenteilung, Transparenz und Kontrolle

●Teilhabe aller durch echte Partizipationsmöglichkeiten

Die Ablehnung, die diesen Bemühungen insbesondere aus Rom entgegenschlägt, kann nur als Angst vor Machtverlust und Veränderung gesehen werden. Dazu kommt der Eindruck, dass der Anlass des Synodalen Weges, der Missbrauchsskandal, weiterhin relativiert wird, die systemischen Ursachen ignoriert werden. Der Synodale Weg zeigt, dass ein gemeinsames Entscheiden von Bischöfen und Lai*innen möglich ist. Dass die Selbstbindung der Bischöfe an Beschlüsse gemeinsamer Gremien die Autorität der Bischöfe nicht schmälern, sondern stärken – eine Erfahrung, die wir auch in unserem Bistum mit den Beschlüssen des Synodalkreises machen durften. Kirche kann durch einen Schub an Demokratisierung nur gewinnen. Er schafft Freiräume, in denen die Gläubigen ihre persönlichen Begabungen und ihre Wirksamkeit in der Gestaltung von Kirche realisieren können.

Neue Beratungs- und Mitentscheidungsformate beugen Machtmissbrauch vor und stellen Entscheidungsprozesse auf breitere Füße. „Der Blick auf demokratische Gesellschaften der Gegenwart führt (…) verbriefte Rechte und organisierte Prozesse einer Partizipation vor Augen, die durch regelmäßige Wahlen und Gewaltenteilung, durch Rechenschaftspflicht, Kontrolle und Amtszeitbegrenzung, durch Beteiligung und Transparenz geprägt sind. Wenn die katholische Kirche ihrer Sendung treu bleiben will, ist die Inkulturation in Gesellschaften, die von demokratischen Verfahren geprägt sind, notwendig“, heißt es in einer Beschlussfassung des Synodalen Wegs.

Demokratische Strukturen in der Kirche können anstrengend und kompliziert sein, weil sie breite Beteiligungsformen erfordern. Einsame Entscheidungen in Rom, im Bischofssitz oder Pfarrhaus sind einfacher, aber sie werden in der heutigen Zeit nicht dem Anspruch gerecht, den die Gläubigen an ein Mitwirken in ihrer Kirche haben. Demokratie in der Kirche ist wie im Staat nicht zum Nulltarif zu haben, führt aber zu einem gerechteren und menschenfreundlichen Miteinander. Wir sind aufgefordert, in der Kirche mehr Demokratie und Beteiligung zu wagen, nicht durch die Übertragung kirchenfremder Modelle, sondern in der Entwicklung eigener Formen einer „kirchlichen Demokratie“, die der frühe Joseph Ratzinger beschreibt, indem er den hl. Cyprian zitiert. Dieser wendet sich gegen Autokratie und formuliert: Nichts ohne den Bischof, nichts ohne den Rat der Priester, nichts ohne die Zustimmung des Volkes.