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Marie-Theres Jung, Sprecherin des Diözesanrats der Katholiken

Marie-Theres Jung, Diözesanrat der Katholiken
Datum:
29. März 2022

Liebe Mitglieder der Synodalversammlung,

Gerne möchte ich einige zentrale Linien zum Stand unserer Beratungen skizzieren. Dabei stütze ich mich auf Beratungen innerhalb des Diözesanrates, in Vorstand und Vollversammlung, und eigene Erfahrung. Es ist schwer, dies möglichst einheitlich zu tun, da im Vorfeld viele Argumente ausgetauscht und um Formulierungen gerungen wurde. Ich tue dies im Bewusstsein, dass die folgende Kritik auch einen Kern von Selbstkritik beinhaltet. Wir haben mitgemacht, um mitzugestalten.

Zu Beginn möchte ich etwas zu in den letzten tagen veröffentlichte Kommunikation unserer Beratungsgrundlage auf der Homepage des Bistums sagen. Ich empfinde es persönlich als Zerrbild unserer Beratungsergebnisse. Sie empört mich, wie ich es auch von vielen andern wahrgenommen habe. 

Sie zementiert den Eindruck, dass sich diejenigen, die eine solche Kommunikation gestalten und zulassen, in einer Parallelwelt bewegen. In einer Parallelwelt, die nichts mit der kirchlichen Wirklichkeit und der gesellschaftlichen Realität zu tun hat. Die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer, immer mehr Menschen kommen mit ihrem leben nicht mehr zurecht, die globalen Auswirkungen des immer näher rückenden Krieges sind kaum zu erfassen.

Diese bunte Fassade eines sich modern generierenden Bistums spiegelt leider wider, dass viele Beschlüsse auf offene Formelkompromisse reduziert wurden. Dieses Marketing des Prozesses geht an einem Großteil der Menschen im Bistum vorbei und zeigt, dass er wichtige Fragen ausklammert, die für eine glaubwürdige Kirche zentral sind.

In der Vollversammlung des Diözesanrates waren wir uns nicht in allen Punkten einig, wie wir zum Beispiel zu den Beschlüssen zur Neuordnung der pastoralen Räume stehen. Oder wie sehr wir manche Beratungsergebnisse als Zeichen eines Aufbruchs in eine richtige Richtung deuten möchten. Manche bewerten die skizzierten Wechsel in den Vorzeichen, wie die Kirche im Bistum Aachen auf die Menschen zugehen möchte, als pastorale Aufbrüche. Andere sehen darin nur neue Etiketten für bewährte Praxis oder für qualifizierte Konzepte, die bereits in früheren Bistumstagen und Prozessen erarbeitet und in Schubladen gelegt wurden. Gut, wenn sie Wirklichkeit werden. Aber erneute Willenserklärungen sind noch keine substantiellen Entscheidungen!

So verschieden wir im Diözesanrat über den ein oder anderen Aspekt denken und urteilen, in einem sind wir uns ziemlich einig: nämlich in der klaren Bilanzierung eines Missverhältnisses zwischen dem, wie viel Lebens- und Arbeitszeit, wie viel Geld und wie viel Kraft in den letzten Jahren in diesen Prozess „Heute bei dir“ investiert wurden, und dem, was jetzt als Beratungsergebnis vorliegt. Es könnte als krasser Kontrast zwischen Anspruch und Wirklichkeit eines Prozesses empfunden werden, der die Leitplanken für die Pastoral der nächsten Jahre und Jahrzehnte festlegen soll. Dieses Risiko möchten wir festhalten!

Sicher ist es ein Fortschritt, dass sich ein Bischof seinem Leitungsamt so weit nähert, dass er auf das Kirchenvolk hören und nur in begründeten Fällen von dessen Willen abweichen möchte. Aber deshalb warnen wir davor, den Prozess mit diesen meist allgemein gehaltenen Formelkompromissen zu beenden, die anscheinend im KonsenT nur den kleinsten gemeinsamen Nenner zugelassen haben. 

Zumal in den Ergebnissen der BAGs bereits viele gute konkrete zukunftsweisende Schritte erarbeitet wurden. Die Ergebnisse der Teilprozessgruppen werden im Übrigen auch vermisst. 

Vielmehr müssen wir alle gemeinsam heute den Beschluss treffen, dass die nötigen Festlegungen bezüglich einer Priorisierung von pastoralen Aufgaben und die darauf gründende Zuordnung von Finanzen und Personal als gemeinsames Beratungsergebnis erfolgen.

Die Beratung darf mit diesen sehr unkonkreten, vorgelegten Beschlüssen, die in ihrer Sprache nicht verständlich sind, nicht enden, sondern muss in den bewährten Strukturen jenseits der soziokratischen Methode erfolgen.

Liebe Mitglieder der Synodalversammlung,

wir bitten Sie einen Schritt zurückzutreten und die gemeinsame Verantwortung für eine zukunftsfähige Kirche im Bistum Aachen noch einmal neu für sich zu sehen und neu zu definieren!

Wir vom Diözesanrat der Katholiken möchten eine Kirche mitgestalten, welche Konsequenzen aus den systematischen Ursachen der sexualisierten Gewalt im Raum der Kirche zieht.

Wir möchten Gewaltenteilung.

Wir möchten eine Kirche, die nah an ihren Mitgliedern und in der Gesellschaft ist, in der sie leben.

Wir möchten Wertschätzung für lebendige Kerne des kirchlichen Lebens.

Wir möchten echte Würdigung für beruflich und ehrenamtlich Engagierte. 

Wir möchten eine Kirche, die ihre Stimme erhebt, wenn der Frieden in Gefahr ist, wenn Klimawandel zu einer Katastrophe führt und soziale Gerechtigkeit verletzt ist.

Wir bitten Sie um die Entscheidung, den Prozess in der skizzierten Weise zu qualifizieren und konkretisieren.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Marie-Theres Jung, Sprecherin des Diözesanrats der Katholiken