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Der Kompass

 

 

 

 

Während der Synodalversammlung am 25. September hat Diözesancaritasdirektor Stephan Jentgens über die Entwicklung der Zukunftsbildskizze zum Kompass im „Heute bei dir“-Prozess gesprochen.

Stephan Jentgens

Wie haben Sie Ihre Rolle in diesem Prozess wahrgenommen? 

Ich stehe für den Weg durch die Mühlen der Ebene. Die Zukunftsbildskizze, die im vergangenen Jahr uns allen zur Verfügung gestellt wurde, war sehr anregungsreich. Es gab darüber jede Menge Diskussionen und ich finde, erst mal ist es eine Qualität, dass da was gereizt hat. Wir sind darüber in den Diskurs gekommen und haben versucht zu klären, wohin es zukünftig gehen soll. Es war klar: wir wollen darüber reden miteinander. Deswegen ist im Herbst vergangenen Jahres eine Redaktionsgruppe zu den Rückmeldungen und Resonanzen dieser Zukunftsbildskizze eingesetzt worden.

Wie war die Resonanz auf dieses Verfahren? 

Daran haben viele Leute fast genauso fleißig gearbeitet wie in den Basis-AGs und es gab bis zum Jahresende des vergangenen Jahres 320 Resonanzen zu dieser Zukunftsbildskizze – von den Basis-AGs, von Einzelpersonen und den Räten. Zudem wurden Befragungen bei bestimmten Zielgruppen wie Jugend und Caritas durchgeführt. Es war ein ziemlich vielschichtiges, manchmal buntes, aber auch ein konträres Bild, was da zurückgemeldet wurde. Die Redaktionsgruppe hat in der darauffolgenden Zeit wirklich intensiv gearbeitet; es war nicht so leicht, dass alles zusammenzubringen. Sie hat dann bis Ende Juli diesen Jahres einen Text vorgelegt, der vom Synodalkreis nach der Konsent-Methode in Übereinstimmung gebracht werden sollte.

Wie ging es dann weiter? 

Nach der Durchsicht dieses Textes wurde klar: so einfach ist es nicht! Wir müssen uns noch einmal zusammenraufen und müssen uns anschauen: geht ein Konsent überhaupt so. Wir haben uns die Frage gestellt, ob wir zum jetzigen Zeitpunkt des Prozesses wirklich schon ein Zukunftsbild beschreiben können. Die Antwort: aufgeschoben ist nicht aufgehoben, aber jetzt geht es so in dieser Form noch nicht.

Was bedeutet das nun für das weitere Verfahren? 

Deswegen hat der Synodalkreis entschieden: wir bewahren alle diese Rückmeldungen in einer guten Art und Weise auf, weil dort sehr viel wertvolles Material von ihnen und sehr vielen anderen Beteiligten zusammengetragen wurde und schauen, an welchen Stellen wir diesen Fundus wieder heben können. Jetzt allerdings erschien es uns als eine Überforderung, dies in ein fertiges Zukunftsbild zu gießen. Wir können es, wenn man realistisch mit diesen Fragen umgeht und nicht ein buntes Bild von „wünsch dir was“ – abseits der heutigen Realitäten und der absehbaren gesellschaftlichen Entwicklungen schreiben will – heute nicht vorlegen. Wir brauchen einen Prozess des Lernens aus den Positionsbildungen zu den BAGs und zu den Querschnittthemen. Und wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Welt um uns herum so vielschichtig und so stark in Bewegung ist, dass dieses Zukunftsbild so leicht nicht zu beschreiben ist.

Was heißt das konkret? 

In der Wirtschafts- und Gesellschaftsstruktur sehen wir massive Veränderungen. Dass, was wir morgen als Bürgerinnen und Bürger unserer Landes zu entscheiden haben (Anmerkung: die Synodalversammlung fand einen Tag vor der Bundestagswahl vom 26. September statt), sind Richtungsentscheidungen. Sie haben mit nationalen und internationalen Verschiebungen zu tun. Die Vernetzung der Welt ist immer intensiver geworden und Corona-getrieben mussten wir lernen und haben viel gelernt. Die sozialen und ökologischen Fragen tauchen bei uns immer drängender auf. Wir haben mitbekommen, was in unserem Bistum an Naturkatastrophen in den vergangenen Wochen und Monaten entstanden ist und wovon viele betroffen sind, dann muss man sagen: der Klimawandel findet jetzt schon statt und gleichzeitig ist er mit einem massiven sozialen Wandel verbunden.

Was bedeutet das für die Kirche im Bistum Aachen? 

In diesen tiefgreifenden Struktur- und Transformationsprozessen ist die Kirche gefragt, aber nicht mit schnellen Antworten, sondern mit einer hohen Sensibilität dafür, was jetzt notwendig ist. Manchmal geschieht dies besser mit großen Ohren und vielen und vor allem den richtigen Fragen, um dann entschieden handeln zu können. Wenn wir auf die Herausforderungen, die wir selber in der Kirche haben – nämlich die Fragen, wie sich Seelsorge unter sich verändernden personellen und finanziellen Vorzeichen verändern muss oder aber die Fragen nach der Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs, von Machtstrukturen, dem Verhältnis von Frauen und Männern, dann müssen wir feststellen, dass es ein einfaches Bild so nicht gibt. Stattdessen benötigen wir einen Diskurs darüber, wohin es zukünftig gehen kann. Gleichzeitig steht der Synodalkreis in der Verantwortung, Entscheidungen zu treffen.

Wie geht es jetzt weiter mit dem „Kompass“? 

Es ist wichtig, sich Kriterien zu suchen und anhand dieser Kriterien und grundlegender Ausrichtungen, entscheiden zu können. Deswegen hat der Synodalkreis gesagt: in dieser Zeit einer sehr pluralen und disruptiven Lebenswirklichkeit der Menschen – und bei diesen Menschen wollen wir mit dem „Heute bei dir“-Prozess sein – stellen wir uns diesen Widersprüchlichkeiten. Wir halten dies aus und führen einen Diskurs darüber, obwohl es nicht leicht ist. Trotzdem versuchen wir uns einen Richtungsanzeiger in die Hand zu legen, den wir Kompass nennen. Dieser Kompass ist um einiges einfacher und spiegelt das wider, was jetzt geht. Und wir brauchen aus der Auseinandersetzung mit dem „Kompass“ und den Arbeitsergebnissen aus den Basis-AGs sowie den Querschnittsthemen ein Lernen darüber wie die Zukunft unserer Kirche aussehen kann. Diesen Prozess wollen wir mit ihnen gehen. Sie merken und spüren, dass dieser Prozess rund um das Zukunftsbild kein einfacher war. Aber er ist Abbild dessen, wie Diskurse heute gehen können und wie man sie nicht zu schnell und zu unterkomplex gestalten kann.