(Stand 24.08.2020)
Die Zukunftsbildskizze
Freiheit zum Leben und Glauben
Nie zuvor waren Menschen so frei, ihr Leben zu gestalten und nach eigenen Vorstellungen zu leben. Diese grundsätzliche Freiheit zum selbstbestimmten Leben schließt natürlich auch den Glauben mit ein. Für die Kirche ist das ein Glücksfall. Christlicher Glaube setzt die freie Entscheidung voraus und noch nie gab es in diesem Maße die Möglichkeit, dass Menschen sich in aller Freiheit zum Glauben entscheiden können.
Trotz dieser im Vergleich zu früheren Zeiten größeren Freiheit, bleibt diese bedroht und zerbrechlich. Die vielen Optionen und der Wunsch nach Einzigartigkeit, den gerade viele junge Menschen spüren, führt immer wieder zu Angst, mit dem eigenen Lebensentwurf zu scheitern. Andere fühlen sich angesichts einer immer komplexeren Welt überfordert und rufen nach einfachen Lösungen. Viele erleben noch immer Einschränkungen ihrer Freiheit, weil sie auf verschiedenste Weise benachteiligt oder ausgeschlossen sind. Die Zukunft des Zusammenlebens zeigt sich durch die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen massiv gefährdet. Die vielfältigen Möglichkeiten, das eigene Leben zu gestalten, ebenso wie die Zerbrechlichkeit dieser Freiheit werfen bei vielen Menschen Fragen auf nach sich selbst: Wer bin ich und was ist der Sinn meines Lebens?
Was ist das Versprechen an die Menschen?
Auch die Katholikinnen und Katholiken im Bistum Aachen kennen diese Erfahrungen. Sie verstehen sich selbst oft als Suchende und Zweifelnde und schöpfen doch Kraft und Hoffnung aus ihrem Glauben an Gott. Sie glauben, dass er allen Menschen tiefe Freiheit schenkt und der Sehnsucht nach Sinn im Leben zugrunde liegt. Wo ein Mensch in seiner ganzen Würde anerkannt wird, wo Liebe gewagt wird, die sich für andere hingibt, wo Hoffnung sogar über den Tod hinausweist, erkennen sie Gott – selbst dort, wo Freiheit zerbrechlich wird und Menschen Böses angetan wird. Wer durch solche Erfahrungen von Gott verändert worden ist, wird darin nicht nur für das eigene Leben gestärkt, sondern wird sie auch denen ermöglichen wollen, die sich in ihrer Freiheit eingeschränkt erleben.
Wie legitimiert sich diese Erfahrung?
Wie wird dieses Versprechen glaubwürdig? Ausgangspunkt jeder christlichen Glaubenserfahrung ist die Begegnung mit Jesus Christus selbst. In der Begegnung Jesu mit Zachäus zeigt sich ein Gott, der die Sehnsucht des Menschen sieht, ihm entgegenkommt und bei ihm zu Gast sein will. Diesen Weg ist Jesus in letzter Konsequenz gegangen bis zum Tod am Kreuz. Diese Begegnung mit Gott verändert den Menschen dauerhaft, lässt ihn sich selbst mehr erkennen und sie befähigt dazu, auch Anderen so zu begegnen. Wenn Christinnen und Christen ihre eigenen Erfahrungen mit Gott weitererzählen wollen, dann orientieren sie sich daran, wie Jesus Menschen begegnet ist. Er hat sie oft gefragt, was er für sie tun kann.
In diesen Begegnungen hören Christinnen und Christen zu und lernen den anderen Menschen und seine Bedürfnisse verstehen. Wie sie dann vom eigenen Glauben erzählen und ihn ausdrücken, muss sich der Situation und der Sprache des Anderen anpassen. Dabei bleiben sie in ihrer eigenen Glaubenserfahrung niemals stehen, sondern erfahren wiederum in der Begegnung mit Anderen Gott neu. Aus solchen Begegnungen baut sich Kirche auf und alle Getauften können dazu beitragen.
Worin besteht der Auftrag kirchlichen Handelns?
Die Kirche existiert nicht um ihrer selbst willen, sondern sie setzt sich aktiv für die Menschen ein und ermöglicht ihnen dadurch die Begegnung mit Gott.
Das kann sie auf unterschiedliche Weise tun:
Sie hilft in einer Notlage und streitet mit für eine gerechtere Welt.
Sie feiert das Leben in seinen Höhen und Tiefen vor Gott.
Sie inspiriert zur Gestaltung des eigenen Lebens, etwa durch Gebet, Seelsorge oder Katechese.
Sie baut Gemeinschaften auf, die jeden und jede annehmen, wie er oder sie ist.
Sie hält die Sehnsucht nach Gott wach, wenn zu glauben gerade schwerfällt.
Die konkrete Ausgestaltung dieser Formen an jedem Ort, an dem sich Kirche ereignet, kann nicht überall gleich sein. Sie muss jeweils neu entwickelt und verändert werden können, damit in der jeweiligen Form wirklich das Interesse an den konkreten Menschen deutlich wird. Die kirchlichen Strukturen und Ressourcen dienen der Entwicklung solcher passenden Formen.
Was bedeutet das für die Veränderung von Kirche?
Um diesem Auftrag gerecht zu werden, orientiert sich das kirchliche Handeln maßgeblich an zwei Kriterien:
Spricht es von Gott in der Sprache der konkreten Menschen (missionarisch)?
Geht es wirklich um das Gute für diese von Gott geliebten Menschen (diakonisch)?
Damit jeder Mensch wirklich zu einer tieferen Freiheitserfahrung in der Begegnung mit Gott gelangen kann, wird eine deutlich größere Diversität innerhalb der Kirche angestrebt werden müssen. Das verlangt, dass kirchliches Handeln auf Menschen aus Milieus zugeht, die bislang wenig mit der christlichen Botschaft in Kontakt gekommen sind oder die für sich noch keine passende Form dessen erlebt haben.
Je mehr Menschen auf ihre je einzigartige Weise ihre Geschichten von Gott weitererzählen und sich dennoch mit anderen Christinnen und Christen in der Kirche verbunden fühlen, umso mehr können Menschen den christlichen Glauben als den Weg entdecken, der sie ganz frei werden und zugleich gehalten sein lässt.